Referenzstiftungen in schulischen Kompositions- und Improvisationsprozessen

Das  Symposium beleuchtet das Phänomen intertextueller Bezüge innerhalb von Prozessen des Musik-Erfindens im Musikunterricht. In aktuellen Studien an der Hochschule für Musik Freiburg und der Technischen Universität Dortmund zeigte sich, dass Schüler*innen insbesondere bei stilistisch offenen Aufgabenformaten auf ihr musikalisches Erfahrungswissen und ihre musikalischen Praxen zurückgreifen, indem sie – auf höchst unterschiedliche Weise – musikalische „Versatzstücke“ (Weber-Krüger 2014) in ihren Kompositionen und Improvisationen aktualisieren und verarbeiten. Gleichzeitig legen erste Ergebnisse einer Studie an der Universität Bielefeld nahe, dass die Bezugnahme auf die eigenen (außerschulischen) Praxen für Schüler*innen auch bei offenen Aufgabenformaten keine Selbstverständlichkeit darstellt, sondern von verschiedenen Faktoren abhängt.

Um Schlüsselszenen der Referenzstiftung systematisch identifizieren zu können, bedarf es einer Positionierung im traditionell und auch aktuell sehr uneinheitlichen Diskurs um Intertextualität und Intermedialität, der insbesondere in den Literatur- und Medienwissenschaften geführt wird. So erweist sich etwa der im poststrukturalistischen Diskurs vertretene Ansatz, Intertextualität – vor dem Hintergrund eines erweiterten Textbegriffs – als grundsätzliches Charakteristikum von Texten anzusehen (Kristeva 1972), als zu weit, um ihn für die Operationalisierung von Referenzstiftungen in Interaktionsanalysen fruchtbar werden zu lassen. Als erster Ausgangspunkt produktiver erscheint zunächst der engere Begriff von Intertextualität, wie er in der Literaturwissenschaft als die „greifbare Anwesenheit eines Textes in einem anderen“ (Pfister 1985, S. 17) genutzt wird.

Hier nehmen die Beiträge des Symposiums Anschluss und beleuchten entsprechende Praktiken der Referenzstiftung in unterschiedlicher Perspektivierung. Dabei werden Intertextualität und die damit verbundene Referenzstiftung in ihrer Interaktionsbedingtheit rekonstruiert (Kranefeld). Zudem wird aus der Perspektive der dokumentarischen Unterrichtsforschung der Frage nachgegangen, welche Muster der Referenzstiftung im Rahmen kreativer musikalischer Gruppenprozesse in Unterrichtspausen rekonstruiert werden können und welche handlungsleitenden Orientierungen diesen Prozessen unterliegen (Buchborn). Der dritte Beitrag veranschaulicht schließlich anhand eines Fallvergleichs, unter welchen Umständen Schüler*innen an ihre eigenen musikalischen Praxen anknüpfen und unter welchen nicht (Voit).

In der sich daran anschließenden Diskussion im Symposium soll der Frage nach der Bedeutung von „Referenzstiftungen als künstlerische Praktiken“ (Döhl & Wöhrer 2014, S. 8) für Kompositions- und Improvisationsprozesse von Schüler*innen im Musikunterricht nachgegangen werden.

Das Symposium findet statt im Rahmen der Jahrestagung des AMPF 2020 in der Hochschule für Musik Mainz, 9.-11. Oktober 2020

Chairs: Ulrike Kranefeld (TU Dortmund), Thade Buchborn (Hochschule für Musik Freiburg), Johannes Voit (Universität Bielefeld)